Griechenland Juli 2012

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Greeny
Gelöschter Benutzer

Re: Griechenland Juli 2012

von Greeny am 05.08.2012 22:19

Gibet es auch InDoor:

GOLFSET

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Greece-Brei
Gelöschter Benutzer

Re: Griechenland Juli 2012

von Greece-Brei am 06.08.2012 01:13

Den Quatsch lese ich mir doch nicht durch...... schick mir n Hörbuch.

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Ratschkatl
Gelöschter Benutzer

Re: Griechenland Juli 2012

von Ratschkatl am 06.08.2012 13:39

okayyyy... ich hab Mitte dieser Woche vieeeel Zeit.. mal sehen..

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Werner01

59, Männlich

  Ellada Profi

Labertasche

Beiträge: 5082

Re: Griechenland Juli 2012

von Werner01 am 11.08.2012 18:22

Nach einem Besuch bei Bekannten sind wir dann gegen 15.00Uhr wieder zurück in der "Sauna".
Die Einkäufe sollten jetzt in den Kühlschrank, will man am Abend gut gekühltes trinken.
Ausserdem sollten die Dosen schleunigst aus dem Kofferraum stell ich gerade fest, sie sind
kochend heiss. "Du willst jetzt aber keine zwei Palletten Bier hier in die Küche stellen" sagt
mein Dad." ??????" ist mein fragender Gesichtsausdruck. "Soll ich die im Kofferraum vor
sich hinkochen lassen ? Willst du Dampfbier trinken ? Oder ist jemand erkältet der heisses
Bier braucht ? ". "Nein, darum gehts nicht. Es ist halt nur so dass hier z.Zt. viele Leute sind.
Und wie sieht das aus wenn jetzt in der Krise, wo Bier so teuer ist und kaum getrunken wird,
es sich hier bei den "Deutschen" stapelt. ". Auf diese Diskussion hab ich wenig Lust, a brennt
mir die Sonne auf den fast kahlen Hinterkopf, b ist mir echt zu warm, c ist mir zu warm,
d ist mir viel zu warm. Wir bringen also erstmal alles in den Keller, einigen uns aber dann doch
darauf von jeder Getränkesorte je acht Dosen in den Kühlschrank zu stellen. Dann erledige ich
meinen zweiten Kaltduschgang an diesem Tag, und versuche etwas zu schlafen. Es gelingt auch
kurz, aber gegen 17.30Uhr werd ich geweckt. Valery beim Nachbarn. Er renoviert ja, fällt mir
wieder ein. Fleissiger Junge. Der arbeitet sogar Samstags Nachmittags. Mir ist nach einem
griechischen Kaffee, aber auf dem Weg in die Küche verharre ich im Flur und höre mir
einen Dialog an. Tantchen und Dad. Es geht um gekaufte Getränke, die Krise, die Preise,
Platz im Kühlschrank. Ich muss lachen, fühle mich an früher erinnert als ich Kind war, wir
heimlich ausswärts am Strand aßen weil Oma jedes mal einen Herzkasper bekam wenn sie
sah das wir Geld ausgaben statt auf irgendeinem Konto zu sparen. Tantchen ist jetzt mit
ihren fast 70 Jahren genauso schräg drauf, obwohl sie sich meines Wissens nach absolut
keinen Kopf über Geld machen muss. Sie bezieht eine gute Rente. Eine sehr gute. Dazu
eine aus dem Ausland. Sicher. Lebenslang. Keine griechische.
Ich gehe hinein und werde prompt mit einem Schwall Worte begrüsst.
" Warum kaufst du so teueres Wasser in Dosen mein Kind, wir haben doch jetzt besseres
trinkbares Wasser hier in der Stadt, und diese teuren Wasserfilter installiert. Das Wasser
ist gut, und jetzt, wo alles so teuer geworden ist, trinken wir dieses Wasser aus
der Leitung mein Junge. Und Bier, poo poo poo, soviel Bier. Und Coca Cola, und Limonade,
poo poo poo, das muss ja teuer gewesen sein, und dazu ist es ja auch ungesund, zu viel Zucker.
Wenn du Limonade willst sag doch was, ich mach dir eine, aus frischer Zitrone, im Keller liegen
noch etliche, vom George, der mit den tollen Pfirsichen". Ich komm kaum dazu zu atworten,
sie spricht immer so schnell, so viel, ohne Punkt und Komma. "Weil ich viel Durst habe Tante,
und es mir schmeckt. Und Wasser ohne Kohlensäure nutz ich nur zum Waschen oder kochen.
Das weisst du doch." "Apropo kochen" sagt sie "Was wollt ihr essen heut Abend,
was soll ich kochen ? Gestern habt ihr schon so wenig gegessen, auch wenns warm ist, man muss
etwas essen, nicht nur trinken. Also was soll ich machen ? Wir haben ALLES hier was man braucht.
Erst Donnerstag auf dem Markt gekauft. Beim George. Er hat so tolle Gemüse, so tolles Obst,
und alles modern angebaut, alles biologisch, alles gesund."
"Heut abend wird nicht mehr gekocht Tante. Heute ist Samstag. Wir gehen aus. Ich lad euch
alle ein" sag ich. " Neeeiiiiiiiin, neeeein," sagt Tante." Viel zu teuer, viel zu teuer, alles ist so
teuer geworden, und dazu so ungesund, alles mit viel zu viel Salz, Gewürzen, Öle, Fette.
Und viele der guten Restaurants hätten auch gar nicht mehr geöffnet, viele hätten längst
geschlossen, und die die noch geöffnet hätten, ja die würden jetzt Preise machen, die keiner
zahlen könne." " Wir werden sehen Tante" sag ich, und drück sie kurz. "Und morgen oder
Montag kannst du kochen wenn du willst, den ganzen Tag, all die Paprika, all die Auberginen,
all die Zucchinis, alles was im Kühlschrank liegt. Dann haben wir mehr Platz für Bier". Sie lacht.
Beim Thema Bier vergess ich dann auch meinen ursprünglichen Wunsch des Kaffee, mach den
Kühlschrank auf, hohl eine Dose Bier raus, will sie öffnen. Aber da vergass ich für einen
Moment etwas. Ich bin ja hier in Griechenland. Hier trinkt niemand alleine aus der Dose.
Bier schon mal gar nicht. (Krise hin oder her, das war schon immer so). Ein Glas Wasser,
ja, das trinkt man einfach so, allein, zum Durst löschen. Alles andere, vor allem Bier, wurde
und wird zumindest hier immer noch irgendwie als gesellschaftliches Ereigniss angesehen,
das einen gewissen Rahmen braucht. Also finden wir uns draussen im Garten wieder.
Mit einem Tablett voller leerer Gläser. Drei Schälchen. Nüsse, noch mal Nüsse, und Pistazien.
Bier trinken einfach so. Unmöglich hier. Wer trinkt schon Bier zum Durst löschen. Während Tantchen
also mit Tablett tragen, Tisch und Stühle säubern im Garten beschäftigt ist, geh ich unauffällig
in den Keller, schnapp mir ein paar Dosen, und leg sie in der Küche ins Eisfach. Ich hab so eine
Vorahnung. Und ich will Bier. Kaltes Bier. Viel kaltes Bier.
Eine halbe Stunde später ist es dann endlich so weit. Mittlerweile sind wir zu fünft.
"Giamas". Mit anstossen der Gläser selbstverständlich. So gehört es sich. Nicht bei jedem
Schluck. Aber spätestens nach jedem Nachfüllen der Gläser. Und so kommts wie vermutet.
Wir werden mehr und mehr, ich renn ständig in den Keller, ans Eisfach, tausch kaltes aus dem
Kühlschrank gegen vorgekühltes aus dem Eisfach und gegen Kellertemperiertes. 12 Leute sind
wir am Ende. 8 Dosen sind vertilgt. " Antoni, mach mal etwas Musik" ruft mein Onkel in die zweite
Etage einem Nachbarn zu. "Der Valery hämmert so laut, man versteht sein eigenes Wort nicht,
das hämmern tut in den Ohren weh, dann lieber Musik, dann singen wir. Und dann komm runter
zu uns, wir trinken "Bierchen". "Warum bringt niemand dem Valery ein Bier" frag ich. Der arme Kerl,
von morgens früh bis abends spät arbeitet er dort im Staub, im Dreck, bei dieser Hitze.
"Valery muss arbeiten, erklärt man mir. Er hat einen Termin. Am 15. September muss er fertig
sein . Mit allem. Er hat keine Zeit zum Bier trinken. Ausserdem, er sei "Russe", keiner von "uns".
Und Russen und Alkohol, dass sei nicht gut. Ich solle mal gucken gehen, ein Stück die Strasse hoch,
so zwölf Blocks weiter. Dort würden jetzt viele leben. Ich solle dort mal gucken gehen. Nachts.
Wenn die alle "voll" sind. Prügeleien, Lärm, Ärger. Die sind anders wie wir. Lass den Valery seine
Arbeit tun. Ist besser so. Und ich hätte es ja selbst mitbekommen. Der eine der hier wohnte,
der den Strom klaute. Den suchen jetzt alle. Polizei, Gerichte, Behörden. Die machen nur Ärger.
Aber sie arbeiten gut. Sind alle fleissig. Und billig. So wie der Valery. Valery sei gut im arbeiten.
Sehr gut. Er hat sogar viele Werkzeuge. Und ist sauber. Nimmt jeden Abend den Dreck und den Schutt
mit in Tüten, in seinem Auto, und bringt den Dreck woanders hin, statt hier vor die Tür zu legen.
Ich schaff es mich unauffällig in die Küche zu stehlen, öffne mir eine Dose Bier, eine ganz kalte,
eine für mich ganz alleine. Zisschhhh. Ahhhh. Tut das gut. Und ganz ohne ständig anzustossen
mit irgendwem. " Ist schön wenn man seine Ruhe hat" lacht meine Mom, die den Raum betritt.
"Ja", sag ich, auch lachend. "Andererseits, es ist aber auch immer wieder ganz schön festzustellen,
das es toll ist Familie und Freunde zu haben. Auch wenn man alleine besser Bier trinken kann"
sinnier ich weiter. "Ja, das ist eben Griechenland" sagt meine Mom. Hier macht man kaum etwas allein.
Früher als ich jung war machte ich hier nicht einen Schritt allein vor die Türe. Ständig wurde ich
begleitet, ständig passte man auf mich auf. Erst dachte ich immer, sie wollen mich kontrollieren.
Erst später habe ich begriffen, dass sie einfach so sind. Es ist ihre Art. Sie machen alles zusammen.
Familie halt. Denk du morgen früh dran. Du weisst wie die sind. Morgen ist Sonntag. Sonntags
gehen wir in die Kirche. ALLE !!!! "Ich weiss Mom, ich weiss.... ich bin nicht zum ersten mal hier"
lach ich." Das nicht, nur es ist immer das gleiche. Ständig muss ich erklären, was dich abhält
in die Kirche zu gehen. Ständig sagt man mir, es sei nicht gut ohne Glauben zu leben, ständig sagen
sie mir und deinem Vater, wir sollen dich dazu bringen, es doch zu tun". Ok. Mom, morgen komm ich
mit. Bestimmt. Und dann singen wir. Wie damals in Deutschland bei der Taufe meines ältesten.
Als Onkel Karl zu der Melodie von "grosser Gott wir loben dich" sang : " Vater und Mutter unser
Merling ist tot. Er ist diese Nacht von seinem Stängchen gefallen. Hat sich gebrochen den linkeren Fuss,
Vater und Mutter unser Merling ist tot "....Wir lachen. Drücken uns. Verstehen uns. Mutti und Sohn eben.

LG Werner01©

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Werner01

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Re: Griechenland Juli 2012

von Werner01 am 11.08.2012 18:28

"Gehn wir noch essen oder kocht ihr noch" ruft mein Dad hinein. "Wir gehn essen" ruf ich zurück.
Macht euch fertig. Und guckt wann ein Bus fährt" feix ich. "Kommt drauf an wohin" meint Dad.
Zum Dingens, du weisst schon, wo wir heut mittag drüber sprachen ." "Ahhh, ja. Da oben hin fährt der Bus
aber nur jede halbe Stunde" sagt er. "Nicht unbedingt" erwidert meine Tante.
"Kommt drauf an wie oft man umsteigt" mein Onkel. "Dann macht mal den Routenplaner an" sag ich
lachend, und denk mir wie schön das damals war, damals, vor der Krise, als man sich einfach so ins Auto
setzte und fuhr. Gegen 23.00 Uhr sitzen wir dann alle im Bus, und nach nur einmal umsteigen am IKEA
knapp 30 Minuten später auch am Ziel. 23.30Uhr, eigentlich keine unübliche Zeit um Essen zu gehen.
Jedenfalls nicht hier in Griechenland. Es geht ja nicht nur ums Essen als Nahrungsaufnahme. Es geht um mehr.
Und wann anders im Sommer soll man denn essen, zusammen sitzen, klönen, trinken, feiern, wenn nicht
jetzt in der Kühle der Nacht ? Sofern man 28,5 Grad, die auf dem Thermometer der Apotheke in elektronischer
LED Schrift angezeigt wird, als kühl bezeichnen will. Immerhin ist es hier oben auf dem Hügel,
etwas ausserhalb der Grossstadt, etwas angenehmer als unten in den Schluchten der Häusermeere.
Und der Ausblick. Grandios. Und Erinnerungen. Schöne Erinnerungen. Wie oft war ich schon hier, wie
faszinierend fand ich diesen Laden immer. Einen Traum von einem Garten hat der Wirt hier damals angelegt,
unter hohen Platanen, alles aus Naturstein gefliest, mit Beeten in denen Kräuter wachsen, Springbrunnen
lockern das Bild auf, die Blumen, das Grün, alles ist dezent beleuchtet, Kerzen säumen die Mauern, die das
Gelände einfassen. Ein Ort zum Wohlfühlen. Zum Entspannen. Und die Küche...Ein absolutes Highlight hier
in der Gegend. Das führte natürlich schon immer dazu, das man hier kaum einen Tisch bekam, jedenfalls
nicht ohne Reservierung, und vorne auf der Terrasse mit Blick auf das nächtliche Saloniki ohne Beziehungen
eh nicht. "Die Zeiten seien vorbei" meinte Onkel eben süffisant grinsend. Heute bräuchte man weder
Reservierung noch Beziehungen. Heute wär der Laden längst nicht mehr so voll wie früher. Heut herrsche
die Krise. Es gehen kaum noch Leute aus. Essen sowieso nicht. Nicht in solch einen teuren Laden.
"Dann weiss ich ja was auf mein Portemonnaie zukommt" sagte ich. Er lachte, mit vielversprechendem
Blick. "Alles schon geregelt, mach dir keine Sorgen, man kennt uns dort doch sehr gut, man freut sich das
wir kommen, und den Preis hab ich schon vereinbart, am Telefon. Mach dir keine Sorgen".
Wir betreten den Laden, aber irgendwie mach ich mir jetzt schon Sorgen. Nicht um mein Geld.
Es ist etwas anderes. Es ist etwas "befremdliches". Es ist so ganz anders als bei meinem letzten
Besuch und all den Besuchen in der Vergangenheit. Der Garten ist nach wie vor unbeschreiblich schön.
Vielleicht noch schöner als früher. Aber ansonsten. Hier fehlt etwas. Hier fehlt etwas bedeutendes.
Früher wurde man hier im Eingangsbereich bereits von einem Kellner in Empfang genommen, der einen
an den Tisch geleitete. Heute sehe ich gerade drei, zwei gelangweilt am Tresen zur Küche hin lehnend, einen ein
Tablett tragend in Richtung des einzigen der ca. 50 Tische, an denen Gäste sitzen. Seltsames Gefühl.
Und ich weiss für einen Moment nicht, wie ich mich verhalten soll. Geh ich einfach weiter zu einem Tisch
oder warte ich. Ich entschliesse mich zu warten, bis alle da sind, auf der Strasse traf Tantchen noch Bekannte,
die stehen jetzt da und quatschen. Einer der Kellner erblickt mich, kommt mit rasantem Schritt auf mich zu
und bittet mich hinein. Ob ich reserviert hätte fragt er, wieviel Personen wir seien will er wissen.
Nein, reserviert hätte ich nicht, 9 Personen seien wir, und wir würden gern vorne auf der Terrasse sitzen,
wenn es geht. Kein Problem meint er, aber ich möge mich einen Moment gedulden, erst müsse er mehrere Tische
dort zusammen stellen, weil eigentlich hätte er für heute bereits alles so arrangiert, das dort die verliebten
Pärchen sitzen, die vielleicht später noch kämen. Weil eine Gesellschaft hätte er dort schon eingeplant, auch knapp
10 Leute. Zum Glück (oder Unglück im Sinne des Umsatzes) erscheint dann auch der Rest unserer Gesellschaft,
und es klärt sich rasch auf, dass wir die geplante Gesellschaft sind.
Also blieb dem Kellner das Tische rücken erspart. Wir nehmen Platz an einer Tafel, eingedeckt für ein zwölf
Gänge Menue, je Person etliche Formen an Gläsern, in einer Anzahl die mich erstaunen lässt. Oder ist das
hier das Gläserlager ? Eine Kellnerin die eben noch nicht da war eilt nun aus der Küche, begrüsst Onkelchen
und Tantchen persönlich, dann uns der Reihe nach, und man merkt ihr an, dass sie sich echt freut uns dort
zu sehen, es ist nichts gekünsteltes, nichts gespieltes. Wie sich im Laufe des Abends rausstellt ist sie die
Tochter des Hauses, sie studierte in Athen, weit weg von der Gastronomie ihrer Eltern, wollte eigentlich
nach Amerika, als Juristin arbeiten, aber dann vor zwei Jahren starb ihr Vater, und dieses Lokal hier, sei
alles wofür ihr Vater je gelebt hätte, und alles was ihre Mutter und der Rest ihrer Familie noch hätten. Und
nun müsse man zusammenhalten, und deshalb sei sie jetzt Gastronomin. Zu viele hätten schon aufgegeben,
zu viele wären einfach weggelaufen. Sie will hier bleiben. Griechenland sei auch zu schön. Ihr Restaurant
sowieso. Und diese Aussicht von hier oben, einfach grandios, aber das alles wär ihr erst jetzt in den letzten
Jahren klar geworden. Und um mich zu wiederholen, sie ist echt, authentisch, ungekünstelt, ungeschminkt.
Das macht sie sehr symphatisch. Auch erfahre ich jetzt woher sie meinen Onkel kennt. Seine Tochter und sie
gingen gemeinsam zur Schule, studierten später ein Jahr zusammen, teilten sich eine Wohnung. Das sind Details
die weder wichtig sind, mich auch früher nie intressierten. Ich dachte bislang immer, wir wären früher nur
deshalb hier hoch zum Essen gegangen, weil der Garten so schön sei. Weit gefehlt also. Ohne das irgendjemand
an unserem Tisch in die Karte guckte, geschweige denn etwas bestellte, beginnen die Kellner ihre Arbeit.
Sie räumen mindestens 60% der Teller und der Gläser weg die dort standen(war aber ein tolles Bild es zu sehen)
und beginnen aufzutragen . Drei Flaschen Wasser, Wasser in teuren Glasflaschen, bläuliches Glas, drei Behälter
mit Eiswürfeln, und drei Glaskännchen Tzip. Dazu dreht man uns die verbliebenen Gläser um und positioniert
sie vor uns. Ein hohes fürs Wasser, ein kleineres für den Tzip. Dazu gesellen sich jetzt mehr und mehr Teller.
Allerlei geräucherter, marinierter und gesalzener Fisch, gegrillter chtapodia, allerlei Mezes in Pastenform,
und ein klasse Brot in Scheiben, frisch vom Grill, mit Öl beträufelt,Knoblauch und Oliven sind drin im Teig,
frittiertes und gegrilltes Gemüse in Scheiben, und natürlich die obligatorisch notwendigen scharfen Paprika.
Sind gesund, wichtig für die Verdauung, und neutralisieren den Alk im Tzip, sagt man.
Und so lassen wir noch zwei mal drei Kännchen kommen,
geniessen die Nacht, den Ausblick, die grandiosen Mezes, und die Musik. Am anderen Ende des Gartens steht ein
Pavillion, und auch wenn jetzt nun kaum mehr Leute als vorher da sind, tun die Musiker ihre Arbeit dort.
Leise, dezent, aber voller Inbrunst spielen sie, ganz so als ob der Laden rappelvoll wär. "Es wird nun nicht
mehr diskutiert über die Krise" sagt Sofia (die Inhaberin), die sich sehr oft zu uns setzt und unseren
Gesprächen folgt, und uns erzählte von der oft bleiernden Leere hier in diesem Lokal in letzter Zeit,
von ihren Sorgen, Ängsten. Sie erinnere sich an die guten Zeiten damals, damals als das Geschäft nachts
rappelvoll war bis zum Morgengrauen. Das wäre besser, und die Zeiten kämen auch wieder, diesen Sommer
bestimmt nicht, nächsten auch noch nicht, aber bald. Geduld bräuchte man, und gute Laune.
Und vielleicht irgendwann, spricht sich ja auch unter den Touristen rum, das man hier oben toll essen könne.
Touristen kämen ja bislang eh nie. Aber Tourismus sei eine wichtige Einnahmequelle. Die habe man bisher
vernachlässigt. Da stecke doch Potential.
Also Leute,
schluss jetzt mit den traurigen Themen, welchen Wein wollt ihr zu dem Fisch ? " Den weissen" bestimmt mein Onkel,
ohne auch nur irgend jemanden zu fragen. "Den weissen, den in der bauchigen Flasche, den den wir immer nehmen"
Es ist ein guter Wein wie ich später ehrlich gestehen muss. Und er harmoniert mit dem köstlichen Fisch, der nun
frisch gegrillt hier auf der Platte in der Mitte des Tisches liegt. "Es ist ein sehr guter Wein, kein guter" sagt
mein Onkel zu mir, augenzwinkernd. "und du weisst doch, wir Griechen sind reich, nicht sehr reich, aber
wir verstehen zu leben und zu geniessen. Vielleicht nicht mehr so oft wie früher, aber wenn dann eben
sehr gut. Verhungerte Kinder in Griechenland.....re m....was fürn Scheiss lest ihr da in Germania"
Er lacht, er lacht und ich muss mitlachen. Laut lachen wir alle. Gut das wir genug Wein haben.
Gut das ich jetzt nicht näher drüber nachdenke, was vielleicht wirklich hinter seinem Lachen steckt,
oder stecken könnte. Er scheint meine Gedanken zu lesen, schenkt mir noch einen Wein ein, bestellt erneut
zwei Flaschen, prostet mir und allen zu und sagt " Auf das Leben. Geniesst das Leben. Schaut auf diese Stadt.
Schaut auf dieses schöne Land. Hört diese tolle Musik. Das Leben ist schön. Auf uns. Auf euch, das ihr lebt"
Und wie ich lebte in dieser Nacht. Wir "lebten" noch alle mehrfach in dieser Nacht, noch einige Flaschen
Wein mehr, und fast war es wie früher, meinte Sofia als es hell wurde. Sie hätte lange keine
so tolle Nacht mehr erlebt. Es sei sehr schön gewesen. Auch die Musiker hätten es toll gefunden.
Sie hätten schon ewig nicht mehr bis morgens um fünf gespielt, und das freiwillig. Sie bekämen ja
nur noch zwei Stunden bezahlt für drei bis dreieinhalb Stunden spielen, je nach Publikumsverkehr.
"Ja, sie waren sehr motiviert und spielen echt gut" sagte mein Dad freundlich lachend.
"Sehr motiviert" steuerte ich bei. Sah ich doch wie Dad gegen drei, als die zum ersten mal
aufhören wollten zu spielen und einpacken wollten, der Sängerin etwas zusteckte. Aber das blieb sein
Geheimnis, so wie meins, als ich um vier zu ihnen ging. Das "bezahlen" war dann auch so eine Sache.
Ich wollte ja zahlen, ich lud ja ein. Aber irgendwie hatte ich den Eindruck man hat mich "beschissen".
Irgendwie erschien mir der Betrag viel zu gering. 190 Euronen für das gesamte Essen, alle Getränke.
Das kann gar nicht sein. Und mein Eindruck war sicherlich nicht falsch. Denn ich gab meinem Onkel
der die Rechnung für seine " Steuer" brauchte zweihundert, und sagte er solle zehn den
Kellnern geben. "Das sei schon erledigt" meinte er, und gab mir zehn zurück.
"Gehn wir noch auf einen Kaffee" sagte dann Tante. Es lohne nicht mehr schlafen zu gehen.
Heut sei ja Sonntag. Und gleich ist ja eh Kirche. Tja, und so kam ich nicht ins Bett, und irgendwie
auch nicht drum rum, die Kirche ein paar Stunden später tatsächlich mal wieder von innen zu sehen.
Und was ich bis heute immer wieder faszinierend finde, und mir nicht erklären kann woran es liegt,
ist der Umstand das ich in solchen Nächten, bzw. danach nie Probleme habe mit dem genossenen
Alkohol. Kein dicker Kopf, keine Übelkeit, absolut null Nachwehen. Vielleicht ist an der Geschichte
mit der scharfen Paprika etwas dran. Oder vielleicht schwitzt man ihn einfach auch direkt aus.
Ich weiss es nicht. Vielleicht waren es auch die zwei doppelten griechischen Kaffee, die mich
den Alkoholgenuss und die Müdigkeit vergessen liessen. Jedenfalls war ich Top Fit an diesem
Morgen. Ebenso auch Valery. Als wir gegen elf heim kamen, war er am hämmern. Lauter und
schneller als die Tage zuvor. Denn Sonntags, erfuhr ich später, kann er sich bei einem bekannten
der Sonntags nicht arbeitet, eine Hilti leihen, dann bekommt er mehr geschafft als wochentags,
in Handarbeit mit Hammer und Meissel.

LG Werner01©

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Werner01

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Re: Griechenland Juli 2012

von Werner01 am 11.08.2012 18:33

Später am Nachmittag, alle anderen Bewohner der Gegend scheinen ebenso zu schlafen wie
meine Leute, sitze ich draussen im Garten im Schatten unserer Olive und beobachte Valery.
Mir wars drinnen zu heiss, schlafen konnt ich nicht und ich hatte Bock auf ein kaltes Bier
Er schleppt nun tatsächlich Bauschutt in Säcken, Tüten hinaus aus der Wohnung nebenan in der
er arbeitet, hinaus in seinen uralt Golf ohne Rücksitzbank und Heckklappe. Nachmittags von drei
bis halb sechs hält er sich an die Ruhepausen, vor allem Samstags und Sonntags. An den anderen Tagen
auch nur bis fünf. Das habe er mit den Nachbarn so vereinbart, erzählt er mir nachdem ich ihn
echt überreden musste, sich zu mir in den Schatten zu setzen. Ein Bier will er nicht, trotz mehrmaligem
Nachfragen. Ein Wasser, ja, ein kaltes Wasser hätt er gerne. Vor allem ab Mittag. Das was er von zu Hause
gefroren mitnimmt sei mittags schon geschmolzen und warm, sagt er. Und frisches gäbs ja eh nicht
" auf seiner Baustelle", da er alle Rohre gekappt hätte, da er alles neu macht.
Warum er nicht Wasser von uns nähme , frag ich ihn. Er brauche doch nur zu klingeln oder zu klopfen,
dann hätt er ständig frisches kaltes Wasser. Er wehrt ab. Er wolle hier niemanden zur Last fallen, und das
hätte sein Auftraggeber, der Besitzer der Wohnung, auch so mit ihm vereinbart. Und es sei gut, sich an
Vereinbarungen zu halten. Gut fürs Geschäft. Das wär wichtig für den Ruf, für weitere Aufträge. Und
es sei nicht einfach hier, an Aufträge zu kommen. Die Konkurrenz ist mittlerweile zu gross. Auch auf seinem
Sektor. Unser Gespräch dauert fast eine Stunde. Ich erfahre Dinge, die mir teils den Magen umdrehen,
manches mal zieht es mir fast den Boden unter den Füssen weg, und es fällt mir schwer das alles was
er mir erzählt, zu verstehen. Er erzählt mir Dinge über die griechische Mentalität, die ich bisher nie so sah,
nicht so kannte. Er erzählt mir sie nicht direkt, vielmehr mache ich mir mein Bild, aus dem was er mir erzählt.
Valery heisst eigentlich Wassilis. Aber er käm ja aus Georgien, und das sei für alle Griechen hier in der
Gegend eben Russland, und Russen hätten eben russische Namen. Anfangs, vor zwölf Jahren als er hierhin
"zurücksiedelte", als Nachfahre griechischer Auswanderer, die immer Griechen waren, jahrhunderte lang,
anfangs am schwarzen Meer, später dann in Georgien, anfangs hätte er immer versucht den Leuten zu erklären,
man möge ihn doch bitte Wassili nennen. Das gab er dann jedoch auf. Es wurde ihm zu anstrengend.
Valery würde besser zu ihm passen, zu ihm den "Russen" , hätte man immer wieder gesagt.
Und später hätte er sich eben dran gewöhnt. Und nun sei er halt "Valery, der russische Handwerker".
So wie viele. Aber er wär ein wirklich guter Handwerker, soll ich ihm glauben. Ich solle gucken kommen
was er alles macht, und was er alles kann. Und ich könne fragen hier in der Gegend, wen ich wollte.
Alle würden Valery kennen, loben. Alle würden ihn anrufen, wenn es Probleme gäbe. Egal womit.
Ob Maler, Klemptner, Heizungsbauer, Elektriker, Klimaanlagen, TV und Sat Spezialist. Er könne alles.
Und alles sehr gut. Und er hätte sich auch hochgearbeitet mittlerweile. Stolz verweist er auf sein
"Firmenfahrzeug", den hat er vor vier Jahren bekommen, als Lohn für zwei Jahre abends nebenbei auf
einem Neubau in der Gegend zu helfen. Es sei ein gutes Auto. Ein deutsches eben. Als er anfangs hier war
in Griechenland, und endlich einen griechischen (europäischen) Pass hatte, wollte er nach Deutschland
kommen. Seine Frau hatte Angst hier in Griechenland. Seine Frau hat Freundinnen, und eine Schwester
in Deutschland. Seine Frau wollte ein besseres Leben für alle, vor allem für die Kinder, die hier als
"Russen" Probleme hatten in der Schule. Und nicht nur in der Schule. Auch mit anderen Kindern, draussen
auf der Strasse. Also ging er vor nach Deutschland, arbeitete dort auch fast vier Monate auf einer Baustelle
in Berlin. Ein verdammt grosses Haus wurde dort gebaut. Und einen verdammt guten Job hat er dort vermutet.
Fast sieben Euro die Stunde hat man ihm versprochen. Und Unterkunft und Verpflegung. In einem Container,
direkt auf dem Bau haben sie geschlafen, ok, das Bett habe man sich teilen müssen, mit einem Kollegen, der
die andere Schicht hatte. Zwölf Stunden haben sie gearbeitet, sieben Tage die Woche. Und zweimal warmes
Essen gab es täglich. Sogar drei mal die Woche Fleisch. Das war seine Chance, sagt er. Rechne mal nach,
12 Stunden je Tag, fast sieben Euro die Stunde, sieben Tage die Woche. Nach zwei Jahren wäre ich ein reicher
Mann gewesen, sagt er. Aber dann kam alles anders. Nach einem Telefonat mit seiner Frau hätte er erfahren,
das der Grieche der ihm den Job besorgt hat und bei dem er eigentlich beschäftigt war, immer noch kein Geld
überwiesen hätte. Und das schon im zweiten Monat. Im dritten Monat kam der Grieche dann in Berlin auf die
Baustelle, gab jedem hundert Euro Prämie in bar, und versprach die Gehälter umgehend in Griechenland wie
vereinbart zu überweisen. Aber dann, eines Tages, kamen viele Polizisten auf die Baustelle. Man verbot ihnen
weiter zu arbeiten, man musste zu einem Amt, man kam sich vor wie ein Verbrecher. Und der Grieche zahlte
dann nicht den Lohn, weil sie ja nicht fertig gearbeitet hatten. Daraus hätte er gelernt, sagt er. Zumal Deutschland
eh nicht einfach sei. Er hätte versucht dort noch anderswo zu arbeiten, er hätte deutsche Kollegen kennengelernt,
die auch gut russisch sprachen. Aber deren Chef wollte ihm nur fünf Euro zahlen, und Unterkunft und Verpflegung
gabs da auch nicht bei diesem Chef. Und mehr verdienen hätte er nur gekonnt, wenn er Bescheinigungen
bzw. Zeugnisse bringen würde, das er bessere Arbeiten machen könne. Dabei könne er doch alles. Und das gut.
Ich solle die Leute mal hier fragen. Und deshalb wär er letztendlich auch hier geblieben. Jetzt sei er sein eigener
Chef. Hier kann er alles machen. Auch ohne Zeugnisse. Egal was. Ob Klemptner, Maler, Elektriker oder was auch immer.
Hier sei es irgendwie besser. Auch einfacher. Auch wenn er keinen Stundenlohn von sieben Euro hätte.
Aber hier wärs eben auch billiger. Vor allem im Sommer. Donnerstags sei hier immer Markt. Dort solle ich
mal gucken gehen. Ab mittags, wenn die Griechen schlafen gehn, und die Händler langsam einpacken,
wird alles billig. Dann gibts Obst und Gemüse für einen Euro. Für zwei Kilo. Weisst du wieviel z.B.
zwei Kilo Pfirsiche sind, fragt er mich. Nein, antworte ich, aber bestimmt ne ganze Menge. Ne halbe Kiste
mindestens, meint er. Aber jetzt müsse er weiter arbeiten. Den Schutt muss er wegbringen. Er hätte nur
die sechs stabilen dicken Säcke, und bis zum Abend fällt heute noch viel Schutt an. Heut hätt er Glück, heut
sei Sonntag, und Sonntags kann er sich von einem anderen eine Maschine leihen. Damit schafft man viel.
Er zahle zwar 10 Euro pro Tag dafür, meinen halben Tagesverdienst ungefähr, aber das sei egal. Weil es wär
ein gutes Geschäft. Dafür schaffe er auch locker das vierfache von dem, was er sonst per Hand machen müsse.
Und der Schutt müsse auch bis fünf weg sein hier. Seine Leute warten drauf. Nachbarn von ihm bearbeiten den
Schutt mit dem Hammer, mit grossen Steinen und Sieben. Das ist guter Füllstoff. Gutes Material um Hohlräume
zu schliessen. Billiger als fertiges Gemisch. Mühseelige Arbeit, ja. Aber billig. Und er braucht billige Materialien
im Winter, wenn er seinen Nachbarn hilft. In seinem Viertel. Ein paar Strassen, Blocks weiter die Strasse hoch.
Ich solle mal gucken kommen. Er hätte die schönste Wohnung dort. Auch unten im Erdgeschoss. Mit kleinem Garten.
Nicht so schön wie eurer hier. Aber immerhin. Ich hab schöne Tomaten. Tolle Tomaten. Komm mal vorbei.
Aber sag vorher Bescheid. Dann sag ich meiner Frau sie soll noch was anderes besorgen. Tomaten allein
schmecken nicht. Mindestens Zwiebel müssen dazu. Und etwas Öl. Valery Wassili zieht von dannen, mein
Bier wurde warm in dem Gespräch, und mir ist mal wieder so ganz anders zumute. In welcher Welt lebe
ich eigentlich, frage ich mich. Irgendwie beneide ich ihn aber auch. Er machte trotz allem was er mir
erzählte, einen sehr glücklichen und zufriedenen Eindruck. Ich steh in der Küche am Spülbecken, eigentlich will ich
das warme Bier wegschütten. Ein bereits geöffnetes zurück in den Kühlschrank, das wird nur schal.
Dir gehts viel zu gut sagt, meine innere Stimme. Also stell ich es doch in den Kühlschrank.
Dennoch nehm ich mir erstmal ein neues. Ein kaltes.

LG Werner01©

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Werner01

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Re: Griechenland Juli 2012

von Werner01 am 11.08.2012 23:54

Halb sechs. Das hämmern mit der Hilti nebenan beginnt. Und schon kehrt Leben in das Viertel.
Fernseher und Radios beginnen zu plärren, und auch hier bei uns erwacht das Leben.
Türen klappern, Fensterläden werden geöffnet, Stimmen erklingen. Das Telefon klingelt.
Drinnen lacht mein Dad. Ich höre nur seine Stimme, nach ein paar Worten ist mir aber klar, das er
mit Onkel telefoniert. "Schon wieder, bist du sicher, ach was, kein Problem, der freut sich bestimmt,
ist eine Gelegenheit, aber nicht vor zehn, und nicht so lange, lach lach lach , klar, wir haben
alle gut geschlafen, klar mag seine frau auch, meine auch, lach lach lach, nein, du zahlst, lach, lach
ok, dann ich, lach lach lach, oder deiiiiiine frauuuu, lach lach lach lach. Ok, dann gegen zehn.Wir reden
dann. Ja. oder so. Ok. Wir sehn uns dann. Um zehn. "
"Wo wollt ihr schon wieder hin" hör ich meine Mom sichtlich genervt fragen.
"Etwas essen, nicht viel, nur eine Kleinigkeit. Wo ist das Problem" fragt Dad.
"Deine Schwester hat den ganzen Mittag gekocht" sagt Mom.
"Das essen wir dann morgen" sagt Dad.
"Muss das denn wirklich heute sein" fragt Mom
"Ja, das hat sich grad so ergeben" sagt Dad
"Dann erklär das mal deiner Schwester" sagt Mom
"Erklären, was soll ich eklären, die kann das ganze Jahr kochen, heute
aber nicht, heute gehen wir aus, wann waren wir das letzte mal alle zusammen
hier, wann werden wir es das nächste mal sein" sagt Dad
Gute Idee grins ich in mich hinein. Nicht das man mich jetzt falsch versteht. Meine Tante
war früher eine echte Meisterköchin. Ich habe nie verstanden, warum sie nicht in der Gastronomie
arbeitet, sie hätte viel Geld verdienen können. Aber dann änderte sich vieles. Es ging um
Bauchspeicheldrüsen, Gallen, Herz, Kreislauf, was weiss ich nicht, und seitdem verzichtet
sie auf alles (vieles), das schmeckt. Öl, Salz, Gewürze, Fleisch. Keine wirkliche Freude auf all das
zu verzichten. Vor allem beim essen.
"Glykeria ! " ruft Dad aus dem Fenster in das obere Stockwerk. "NEIN" ruft sie zurück.
"Ich habe euch gehört, ich gehe heute nirgends mehr hin. Es ist zu warm, ich habe gestern
viel gegessen, viel getrunken, das reicht für eine Woche. Ausserdem rufen die Kinder gleich
an, und im Fernsehen kommt etwas das ich sehen will, und ich habe gekocht, und schon gegessen,
und überhaupt, geht Kinder, geht, habt viel Spass, amüsiert euch, aber lasst mir meine Ruhe,
ich bitte euch" Ich finde das immer faszinierend hier in Griechenland. Jedes Detail wird lautstark
durchs Fenster gebrüllt, so damit es alle Nachbarn mit bekommen. Gut das meine Leute schon älter
sind. Ich erinner mich an ein Jahr, da wohnte schräg über uns eine junge Frau, die war schwer verliebt,
und ihre Freundin wohnte im Haus gegenüber. Das warn Gespräche. Da bekamen viele Nachbarn rote
Ohren. Tantchen besinnt sich aber später doch noch darauf, uns zu begleiten. Und so nehmen wir dann
wieder mal den Bus, diesmal aber ohne umzusteigen, wir fahren nur ein paar Stationen runter ans Meer.
Auch hier gleichen sich die Ereignisse fast genauso wie am Vorabend. Man trifft sich draussen vorm Lokal,
man begrüsst sich, und drei neue Gesichter, die ich bisher nicht traf in diesem Sommer, und auch im Mai
nicht sah. Bei genauerem überlegen stellen wir dann fest, das es Weihnachten vor einem Jahr war, als
wir uns das letzte mal sahen. Sohn mit Freundin und die Tochter meines Onkels. Und genau wie am Abend
zuvor, trifft man noch andere Leute. Man erzählt, und ich geh schon mal ins Restaurant. Die Bilder
gleichen sich erneut. Früher wars hier unten am Meer rappelvoll, früher bekam man hier keinen Tisch.
In keinem der sich in Reihe gliedernder Fischrestaurants, die das Ufer hier in diesem Stadtteil säumen.
In diesem hier schon mal gar nicht. Es gehörte damals schon zu den Top Adressen .
Obwohl mein Blick eben aus dem Bus verraten hat, das viele geschlossen haben, und meine Angst
gross war hier würde nun wegen Überfüllung alles zu eng sein, stelle ich nun mit einem Blick fest,
das es verdammt leer ist. Und das an einem Sonntag. An einem Samstag, ok, da sind viele ausserhalb
der Stadt. Aber Sonntag ? Der Tag schlechthin um aus Essen zu gehen. Ich bleib dieses mal in sicherer
Entfernung stehen, nicht das mich wieder ein Kellner anspricht und er dann vielleicht umsonst Tische
rückt. Obwohl, hier in diesem Laden, ist man grössere Gesellschaften durchaus gewohnt. Eine ganze
Reihe Tische, ca 10, sind hier Meerwärts für Gruppen a 12 Personen ausgerichtet. Ich erinner mich auch
daran, mal mit über zwanzig Leuten dort unten gesessen zu haben. Damals stellte man extra für uns
zwei Tafeln zusammen. Es war in dem Jahr als mein jüngster das Licht der Welt erblickte, er war grad mal
drei Monate alt, als er in seiner Babywippe am Kopfende des Tisches auf dem Tisch stand und dem
munteren Treiben zusah. Man war ich stolz damals. Eine so tolle Frau, zwei so tolle Söhne, und so eine
riesige Familie, voller Lebensfreude, voller Wärme, voller Energie und Zukuntsperspektiven.
Auch hier scheint man meine Gedanken zu erraten. Meine liebste umarmt mich von hinten,
küsst mir sanft den Nacken und fragt...."Woran denkst du jetzt ? An damals, als dein fetter Achtzylinder vor
der Tür parkte und du dachtest du seist der König der Welt, als du sagtest komme was wolle, irgendwann
werd ich hier leben und jeden Tag hier essen gehen, irgendwann werde ich das Leben geniessen, irgendwann
werde ich das Leben leben das mir vorbestimmt ist leben " ??? Sie lacht herzlich, aber auch fragend und
süffisant. "Nein , ich denke an das Jahr, indem der Flip meinte, dem Kallemann löffelweise Tzaziki in das
Mäulchen zu schaufeln". Wir lachen. Und das tut gut. Wie oft waren wir hier. Alle zusammen. Wieviel
schöne unbezahlbare, mit Geld nicht aufzuwiegende Momente hatten wir hier. Ich schon damals als Kind.
Damals, erinnere ich mich, haben wir als Kinder oft unten direkt am Strand gespielt, waren schwimmen,
während die "Erwachsenen" hier oben aßen, und was waren die sauer wenn ich dann nass, verdreckt, hier
oben wieder ankam, mit meinen "Ausgehklamotten". Was schimpfte meine Oma, meine Mom, und wie lachten
wir am Ende alle, weil es waren ja nur Klamotten. Oder das Jahr, indem ich das erste mal meine liebste mitbrachte,
und alle, die ganze Family hier sass die Frau kennen zu lernen, die sich vorher fast zwei Jahre sträubte, nach
Ellada mitzukommen, und Anfangs nur bereit war mitzukommen, wenn wir ein Hotel nähmen.
Da geht einem echt viel durch den Kopf. Und so muss es meinen Söhnen irgendwann mal gehen. Irgendwann
einmal. Auch sie waren sehr oft hier. Auch sie buddelten unten im Sand, auch sie gingen schwimmen, brachten
später Freunde mit, dann noch später Freundinnen. Mensch Leute, wo geht die Zeit nur hin. Wir werden älter.
Hoffentlich überlebt dieser Laden hier noch lange. Lange genug bis meine Söhne das Bedürfniss haben, hier mal
wieder hin zu kommen. Nach ihren Wurzeln zu suchen. In schönen Erinnerungen zu schwelgen. Das Gefühl
zu haben, das es Orte auf der Welt gibt, die einem das Gefühl von Heimat geben. Nur deren Kinder, die könnten
dann unten nicht am Strand spielen, nicht im Sand buddeln. Da hat man jetzt alles zementiert. Und dicke Steine
liegen da. Als Wellenbrecher oder so.
"Kommt, lass uns setzen" werde ich aus meinen Gedanken und Erinnerungen gerissen. Wir sind alle da,
gehn wir. 14 Leute sind wir heute. Im Gegensatz zu gestern gibts keine Mezes. Und keinen Tzip. Heute gibt
es Ploumi aus Fläschchen. Aber dreimal vier. Und Wasser. Klar. Und Eiswürfel. Aber dafür mehr Salat.
Grüner Blattsalat, Horta, rote Beete, Spinat, geraspeltes allerlei, scharf angemacht, und natürlich Tzaziki.
Die kalten geräucherten und gesalzenen Fische werden heute ersetzt durch Muscheln in Tomatenfetasauce,
Muscheln in scharfer Weissweinsauce, und Kalamarsouflas. Das ist das Kopffilet des Kalmar, gefüllt mit Graveri
und sonstigem allerlei, aufgewickelt zu einer Roulade, aufgespiesst auf einer Stange, und gegrillt auf
offenem Feuer. Köstlich. Wir essen und trinken, prosten uns zu, wir lassen uns leben. Wir erinnern uns
alter Geschichten, ganz alter, mein Onkel erzählt wie er hier damals als Kind hier Teller wegräumte, in der
Hoffnung auf ein paar Pfennige Trinkgeld, um Brot zu kaufen, nicht weil er Hunger hatte, sondern
um das was sein Bruder schickte aus Germania zu sparen, sein Bruder, der die Heimat verliess,
um besseres für sich selbt und seine Leute hier zu erwirken. Geschichten der Omas, der Opas, der Tanten,
der Onkel, all derer die schon lange nicht mehr leben unter uns. Geschichten die ans Herz gehen,
Geschichten zum lachen. Geschichten zum greifen nah. So wie die meinigen. Auch gibts hier keine Live
Musik. Aber die vom Band hat es in sich. Tantchen beginnt zu singen. Tantchen zwei singt mit.
Onkel stimmt mit ein. Dad beginnt fast zu heulen, verkneift es sich aber, steht auf und tanzt lieber.
Mom guckt beeindruckt, verständnisvoll lächelnd. Cousin und Cousine und Freundin stehen auf, und
tanzen mit Dad. Ich sitze da, guck meine liebste an, guck nach Süden Richtung Triada, guck nach Norden
Richtung Stadt, guck aufs Meer, und ich könnt heulen, heulen vor Freude, so gut tut das alles, so gerne
sitze ich hier, so sauwohl fühle ich mich hier, jetzt, damals, davor, immer schon. Ich kenn kaum schönere
Plätze, kaum schönere Momente, ich fühl mich guuut. Das einzige was mir noch fehlt zum Glück ist Mut,
Mut hier wirklich einer von denen zu sein, Mut so tanzen zu können, Mut so sprechen zu können, Mut so zu
sein wie ich gern wär, Mut das zu sein, was ich gern wär. Mut alles raus zu lassen, mit jeder Gestik, Mimik,
jeder Bewegung, im Tanz oder im Wort. Manchmal wär ich gern wie mein Dad. Je älter ich werde, desto mehr.
Ich guck meinen Dad an, seh ihm zu wie er tanzt, lacht, singt. Denke an so vieles. Aber eins wird mir gerade
jetzt bewusst. Niemand lebt ewig. Auch nicht mein Dad. Er wird bald achtzig. Aber heute kommt er mir vor,
als wär er jung, sehr jung. Er lebt. Er lacht. Er tanzt. Er geniesst. Ganz so, als gäb es kein morgen mehr.
Wie sehr mich das alles berührt, meine liebste und meine Mom spüren es, meine liebste drückt mich,
flüstert mr ins Ohr "bald, bald bist du deinem Traum nah, bald lebst du auch hier, nur noch ein paar Jahre"
und meine Mom drückt meine Hand und sagt, eh, kein Grund zu weinen, dein Dad ist zäh, der wird über
hundert, wie alle in der Familie. "Sehr zu deinem Leidwesen" versuche ich wieder etwas andere Stimmung
zu machen. Mom lacht. Nein, sie liebe diesen verrückten. Nur Griechenland. Das war nie ihre Welt. Und
wirklich verstehen, selbst mich als ihren Sohn, würde sie auch nie. Sie akzeptiert es aber, immer wieder
die Tränen in meinen Augen zu sehen wenn ich fahr, wegen Trauer, und wenn ich wiederkomm, wegen Freude.
Auch wenn sie weiss, die Tränen gelten nicht nur ihr, dem Gefühl des Sohnes seiner Mutter gegenüber.
Ich hätte zuviel in meiner Seele dieser Menschen hier. Sie hätte früher oft gebetet, es würde mir anders
ergehen. Aber nun seis zu spät, und überhaupt, als ich Kind war hätte sie es schon bemerkt, das ich anders
war. Ich hätte zu viel griechische Gene abbekommen, viel zu viele. Und das wär nicht gut. Aber nun,
ist es wie es ist. "Nur gut das deine Söhne anders sind" sagt sie noch. Denen bleibt das alles hier
erspart. Die konzentrieren sich auf ihr eigenes Leben. Ein gutes Leben. Mit guten Jobs . Und wenn die Urlaub
haben und machen, ja dann können die ja immer mal kommen. Es ist so schön hier, gibt ja schöne Strände,
wenn man Urlaub hat. Griechenland als Urlaubsland sowieso. Es sei so schön, aber zum leben, ach zu leben,
wer will hier schon leben. Nur die Urlauber, und die auch nur für ein paar Wochen, bis die erkennen wie
es hier wirklich zugeht. Ich breche das Gespräch hier ab, wie so oft. Meine Mom versteht mich kaum,
zu unterschiedlich unsere Auffassungen, unsere Geühlswelt. Dennoch respektiere ich meine Mom.
Über 40, fast 50 Jahre hat sie nun in Ellada ausgehalten. Anfangs nur zum Urlaub, sofern man als Frau
eines Gastarbeiters so etwas Urlaub nennen kann, später dann als Rentnerin, sofern man das als
Rentnerdasein bezeichnen mag, im Kreise einer griechischen Familie, im griechischen Alltag, weit ab
vom Tourismus. Die Musik hört auf, jedenfalls intressant zu sein, man setzt sich wieder, der Kellner
bringt neue Gläser, fragt nach dem Wein den wir jetzt zur Hauptspeise trinken wollen, und wie gestern,
Onkel sagt : Den weissen, den welchen wir immer trinken. "Ahhhh, den" sagt der Kellner und verschwindet.
Der Chef des Hauses kommt, begrüsst uns alle, und erklärt, es tät ihm leid. Den Wein den wir gewählt
haben, hätte er nur noch vier mal in Flaschen. Und das sei ja zu wenig ob der Personen Anzahl.
Er bittet uns zu einer Weinprobe. Das lassen wir uns natürlich nicht nehmen. Wir werden uns auch
schnell einig. Wein Nr vier soll es sein. Ich geh bis heute jede Wette ein, es war derselbe Wein, den wir
am Abend zuvor tranken, nur anders deklariert jetzt. Egal. Er schmeckt. Der Preis stimmt. 15 Euro pro Liter.
Nachdem das alles geklärt ist wirds hektisch am Tisch. Kellner räumen ab, Kellner tischen auf.
Erst alle Teller, dann alle Gläser, dann wechselt man sogar die Tischdecken. Wir bekommen alles neu.
Der Wein kommt aus Karaffen, das Wasser nach wie vor aus Flaschen, und jeder bekommt nun einen
neuen Teller. Und neue Gläser. Einen Suppenteller, und ein überdimensionaler Sektkelch, zu schlank für
Rotwein, zu gross jedoch für Sekt. Kellner eins kommt mit dem Weisswein, macht jedes Glas halbvoll.
Kellner zwei und drei folgen auf dem Fuss. Jeder schiebt einen Wagen vor sich her. Auf jedem Wagen
liegt eine Mega Platte. Aus Silber vermute ich, Chrom würde anlaufen und nicht so poliert glänzen.
Auf den Platten liegt jeweils ein Meer aus Spaghetti, garniert mit Gemüsen am Rand, und auf dem
Nudelbett eine tranchierte Languste. Nur der Kopf, die Arme ,Füsse und der Schwanz sind im original
gepanzerten Zustand, das Mittelstück liegt tranchiert auf dem Nudelbett. Ich weiss nicht wie die
die Spaghetti zubereiten, weiss nicht welches Öl die nahmen,ich weiss auch nicht wie die die
Languste zubereitet haben, aber es war köstlich, sensationell, fantastiggerisch, traumhaft genial.
Wir aßen wie die wilden, trotz Vorspeisen, die schon genial waren, aber hier hatte der Koch
sich selbt übertroffen, wer kennt das nicht, gut gesättigt nein zu sagen, aus Angst man möge
gegen den Hunger essen. Das war hier nicht der Fall. Im Gegenteil. Bei jedem Bissen bekam man
mehr Appetit, keinen Hunger, aber Lust zu essen. Immer mehr. Bei jedem Bissen wurden die
Geschmacksnerven angeregt, immer mehr und weiter zu probieren, zu schmecken, zu geniessen.
Es war genial. Es war köstlich. Es war göttlich. Kein Essen an das ich mich erinnere, das tatsächlich
so bis zum Ende aufgegessen wurde, das der Teller fast leer war. Oft blieben Portionen zurück.
Hier nicht. Selbst die letzten Nudeln drehte ich auf eine Gabel, im Sud des Öls, des Astakos
und der Zutaten. Es war der HAMMER...So wie der ganze Abend, die ganze Nacht. Alle waren glücklich.
alle lachten, am Ende tanzten alle, auch ich, ohne nachzudenken ob ich den Mut dazu hätte, ohne
Angst zu haben, was einer denken mag, ohne nachzudenken was der Morgen bringt. Wir lebten,
einfach so. Wir lebten gut, sehr gut. Viel zu gut. Viel zu gut deshalb, weil ich jetzt wo ich hier
in Deutschland schreibe, merke wie sehr ich es vermisse, wie sehr mir das fehlt. Das LEBEN

 

 

LG Werner01©

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