Anastenaria in Lagkadha

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Sabine

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Anastenaria in Lagkadha

von Sabine am 02.03.2011 17:52

Hallo zusammen,
hier sind ja einige Nordgriechenland-Spezialisten unterwegs.
Kennt einer von euch das Fest der Feuerläufer (Anastenaria) am 21. Mai (Konstantin und Eleni) in Lagkadha, ca. 20 km nordöstlich von Saloniki? Ich habe darüber gelesen, bzw. bei YouTube kann man ein paar Videos sehen.

War vielleicht schon mal jemand bei dem Fest und kann was dazu erzählen?

Es gibt sicher noch einige andere Dörfer, aber dieses scheint mir von Chalkidiki am Besten erreichbar.

Sabine

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Antworten Zuletzt bearbeitet am 02.03.2011 17:53.

Werner01

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Re: Anastenaria in Lagkadha

von Werner01 am 02.03.2011 18:21

Hallo Sabine

Herzlich Willkommen hier..:-)

hier sind ja einige Nordgriechenland-Spezialisten unterwegs


Leider ist unser grösster Nordgriechenland Experte Kaputtschino nicht mehr Mitglied hier...:'(:'(:'(
Er hätte dir bestimmt Infos aus erster Hand geben können.

Ich selber bin kein Spezialist, aber war schon mal öfter im Norden Griechenlands. Von diesem Feuerlauf habe ich auch leider nur aus Büchern Kenntnis und aus deinen bereits erwähnten Videos. Dies hier fand ich im Netz, weiss nicht ob du es schon gelesen hast.

Zitat aus einem anderen Forum in dem die Ursprungsquelle des Textes leider nicht genannt wird



Anastenaria, wörtlich SEUFZEREI, wird dieser Brauch genannt, der jedes Jahr vom 20. bis 23. Mai im Norden Griechenlands, genauer gesagt in Makedonien, in den Orten Agia Eleni,
Langadas und Meliki begangen wird.
Will man wenigstens bruchstüchhaft das Feuerlaufritual verstehen, so muss man die jüngere Geschichte bemühen. Aber auch die Verwurzelung mit dem antiken Götterglauben fließt in diesen Brauch mit ein.
Hier natürlich ins besondere Dionysos, der Gott des Rausches und der Sinnlichkeit.
Wüste Orgien standen vor 3000 Jahren an der Tagesordnung. Hysterie, Ekstase und Trance in Verbindung mit Trinkgelagen verführten zum altbekannten Spiel mit dem Feuer.

Die Verehrer des Heiligen Konstantin, besonders jene, die ihm verfallen sind, werden
Anastenarides genannt. Sitz dieser Brüderschaft ist das Konaki, ein Versammlungsraum in der Größe eines Wohnzimmers. Rechts vom Eingang ein Tisch mit Ikonen, daneben eine Schale,
gefüllt mit Sand und Kerzen, sowie die heilige Axt, der Schlachtklotz und das Messer.

Es steht jedem frei, ein Mitglieder dieser Anastenarides zu werden. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass mit dem Beitritt zu dieser Brüderschaft automatisch die Fähigkeit erworben wird zum Feuerlauf.
Der Kontakt mit dem Heiligen ist oberste Voraussetzung, anders wird kein normaler Mensch unverletzt und unbeschadet den Tanz über die Glut bestehen können.
Unverletzt über das Feuer zu gehen, ist folglich eine der schwersten Prüfungen der Heiligkeit. Die Ikone, so wird behauptet, fordert nur den auf, der rein ist.

Seit Jahren versucht die Wissenschaft zu ergründen, wie es den Anhängern dieser Brüderschaft gelingt, unversehrt über die glühende Kohle zu laufen.
Spezialthermometer erfassten die Hitze, welche bis zu 800 Grad erreicht.
Doch die Ergebnisse sind sehr bescheiden. Die Gehirnströme belegten, dass die Sensibilität gegenüber Schmerz verringt wird, somit eine Widerstandskraft gegenüber Verletzungen aufgebaut wird. Letzteres, kombiniert mit den rhythmischen Schritten, verhütet womöglich die normale Reaktion, wenn Haut mit Glut in Berührung kommt

Manches kann man eben mit normalen Messgeräten, mit Logik und Wissenschaften jeglicher Art nicht erfassen. Das ist auch gut so....

Ekstase macht sich 3o Minuten vor dem Feuerlauf breit. Rhythmen, die anstecken wirken auf die Tänzer. Jeder, ohne Ausnahme, scheint seinen ganz persönlichen Kick zu haben und wartet nur noch darauf, endlich übers Feuer laufen zu können. Sich endlich dieser Aufgabe mit den anderen stellen zu dürfen.
Einem Vulkanausbruch gleich steht die Explosion der Gefühle unmittelbar bevor.
Laute, die man nicht einordnen kann. Blicke, die nicht von dieser Welt sind. Glühende Gesichter, beinahe animalische Augen. Sie entleeren sich ihrer Seele. Geben sich frei für das, was jetzt kommt. Vibrierende Körper, sie keuchen, schluchzen, zischen.
Ein Zurück gibt es nicht mehr, die Glut wartet. Sie ruft, sie lockt, sie fordert.
Freunde und Bekannte sind versammelt. Byzantinische Heldensagen werden gesungen,
man schreitet dem Feuerplatz entgegen.
Rotglühende wie Lava erstreckt sich die Glut vor den Augen der Anwesenden.
Eine Wahnsinnshitze liegt nicht nur in der Luft. Aufgepeitscht durch die Rhythmen der lauten Trommeln, die hypnotische Melodie der Lyra, durchsetzt von durchdringenden Kläffgeräuschen, die bis ins Mark rasen, steht die Atmosphäre vor dem Überkochen.
Und sie laufen hinüber in ihrer Ekstase, die Welt um sich herum vergessend.
Wie jedes Jahr. Auch die Neulinge unter ihnen. Sie jagen über die rote Glut als sei es Sand.
Unverletzt natürlich. Und nächstes Jahr werden sie wieder laufen.
Ein Überbleibsel aus der Vergangenheit im tieforthodoxen Griechenland.

LG Werner01©

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Sabine

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Re: Anastenaria in Lagkadha

von Sabine am 04.03.2011 12:43

Hallo Werner,

vielen Dank für den Text.
Ich habe schon ziemlich viel gelesen und wir werden in diesem Jahr einfach mal an dem Tag nach Langkadha fahren und schauen was dort so passiert.

Viele Grüße

Sabine

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Sabine

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Re: Anastenaria in Lagkadha

von Sabine am 04.06.2012 17:35

Nachdem es letztes Jahr nicht geklappt hat, waren wir in diesem Jahr dort.

Hier also mein Bericht und viel Spass beim nachmachen

Sabine

 

 

Wir sind abends gegen 20:00 Uhr nach Langhada gefahren und haben nach einer ergebnislosen Stadtrundfahrt angefangen Leute nach dem Ort zu fragen. Die kannten das Fest entweder nicht oder wussten nicht, dass es heute stattfindet.

Die Leute die uns schließlich zu dem Platz geführt haben waren aus Saloniki und genauso Touristen / Schaulustige wie wir.

Das Gemeindehaus (Konaki) liegt in einem Hinterhof und dort sehen wir den aufgeschichteten Holzhaufen, das einzige Zeichen dafür, dass heute Abend noch was passieren könnte. Viele Leute sind nicht dort, das Gemeindehaus ist auch leer, und wir beschließen erst mal im Ort was zu essen. 15 Minuten Fußweg, schon ist man im Zentrum.

Gegen 22 Uhr gehen wir wieder hin, es brennt jetzt ein schönes Feuer im Hof und außer uns sind schon ca. 100 Leute dort, es werden später so 500 sein. Die, mit denen wir ins Gespräch kamen, waren alles Zuschauer meistens aus Thessaloniki. Einheimische aus Langhada waren wohl kaum dort. Aber das erklärt sich wahrscheinlich aus dem tief religiösen Ritual, das halt nicht jedermans Sache ist.

Würde das bei mir in Deutschland in der Nachbarschaft stattfinden, würde ich dort auch nicht hingehen, es wirkt schon sehr sektenmäßig.

Die Gemeindemitglieder waren nicht besonders freundlich, mit denen bin ich nicht in ein Gespräch gekommen. Sie machen ihr Ritual zwar öffentlich, sogar das Fernsehen war da, aber wirklich erwünscht ist man dort wohl nicht.

Aber mit der Distanz des Fremden wollte ich es mir mal ansehen, auch wenn man letztendlich nur Voyeur ist.

Das Feuer war dann gegen 23 Uhr soweit runter gebrannt, dass die Asche ausgebreitet werden konnte. Seit etwa einer Stunde konnten wir man aus dem Konaki die treibenden Trommeln und den Sound von Lyra und Bläsern hören, für unsere Ohren ein sehr schräger Sound, klasse!!!

Die Tänzer haben sich hörbar eingestimmt und es ging jetzt tatsächlich los.

Die Musiker kamen gefolgt von den Tänzern und schritten mehrmals um die Glut, die Tänzer blieben die ganze Zeit in ihrem rhythmischen Stampfen, hielten ihre Ikonen und sonstigen kirchliche Utensilien hoch und tanzten immer wieder um das Feuer. Die beiden Haupttänzer fingen an die Glut von allen Seiten zu segnen, dann endlich lief der „ Chef" tatsächlich über die Glut. Leider war inzwischen so viel Zeit vergangen, dass die Glut nicht mehr rot leuchtete, sondern nur noch Asche war, unbestritten heiß, aber dadurch optisch nicht mehr so spektakulär.

Erst vereinzelt, später alle zusammen folgten ihm die anderen Tänzer und tanzten zu den treibenden Rhythmen immer wieder auf der Asche. Die ganze Gruppe tanzte immer wilder in der Glut und ich hatte das Gefühl, es dauerte Stunden. Die in Wikipedia empfohlene Aufenthaltsdauer auf der Glut von 7 Sekunden wurde von jedem einzelnen deutlich überschritten.

Als rationaler Mensch war ich besonders schwer verwundert und beeindruckt.

Irgendwann sind wir dann nach Hause gefahren, die „Party" war aber noch lange nicht vorbei.

Für mich war es ein spannender und zugleich befremdlicher Abend.

Hier noch eine Ortsbeschreibung für „Nachahmer"

Von der Autobahn Thessaloniki / Kavalla die Ausfahrt Langhada nehmen und bis zum Ort fahren. Dann teilt sich die Hauptstraße und man fährt geradeaus durch das Zentrum und auf der anderen Seite wieder raus. Es gibt mehrere Abzweigungen, man sollte nach dem Friedhof fragen.

Ist man auf der Straße zum Friedhof, gibt es links (nach ca. 400 m) einen kleinen Platz, dort kann man parken. Links geht eine kleine Straße rein, das Eckhaus ist sehr kreativ gestaltet, von der Hauptstraße allerdings durch die Bäume verdeckt.

Also in die kleine Straße rein, bei den Mülltonen (30 m) rechts zwischen den Häusern durch bis zum Ende des Weges (50m) und man ist am Ziel im Hinterhof. Vor 22:00 Uhr braucht man nicht dort sein, los geht es erst nach 23:00 Uhr.

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Claire

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Re: Anastenaria in Lagkadha

von Claire am 04.06.2012 23:46

Hallo Sabine,
danke für deinen ausführlichen, realistischen Bericht,
anders als erwartet, jedoch "zeit nah"

LG Claire
heureka - ich hab`s (vergessen)

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Tenedos
Gelöschter Benutzer

Re: Anastenaria in Lagkadha

von Tenedos am 05.06.2012 10:59

Schöner Bericht, ich habe es auch schon mal live erlebt, ist aber schon 18 oder 19 Jahre her. Schwiegermutter ging immer in die Loutra und einmal habe ich das Plakat gesehen und dann gings mit der ganzen Bagage dort hin. War schon interessant.

Nur an die Mülltonnen kann ich mich nicht mehr erinnern. 

Hallo Sabine, wir haben uns ja nur einmal kurz auf dem Flughafen getroffen, ich hoffe, es geht Dir gut. Hier lassen im Augenblick alle die Köpfe hängen, mal sehen, wie es weitergeht. 
Kalle 

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Greece-Brei
Gelöschter Benutzer

Re: Anastenaria in Lagkadha

von Greece-Brei am 05.06.2012 11:08

Hier lassen im Augenblick alle die Köpfe hängen

Heißluftbaloons können nicht hängen.

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Werner01

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Re: Anastenaria in Lagkadha

von Werner01 am 05.06.2012 17:41

Klasse dein Bericht Sabine. Sehr lebendig beschrieben .
Danke dafür

LG Werner01©

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Sabine

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Re: Anastenaria in Lagkadha

von Sabine am 07.06.2012 18:56

Danke für's lesen )

 

Kalle, ja wir haben uns mal am Flughafen getroffen, das dürfte wohl schon 6-7 Jahre her sein, oder? Ich habe ja immer kräftig Werbung für deine Cartbahn gemacht, bin aber selber nie dazu gekommen, wenigstens mal anzuhalten.

Traurig und auch wütend bin ich, wenn ich an meine Freunde und Bekannte in Griechenland denke, deren Lebensträume und sogar überlebensmöglichkeiten gerade eingestürzt sind.

Im September bin ich wieder dort

Sabine

http://www.privatferienhaus.de/

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